Rufbusse – eine Alternative zum gängigen Linienbusverkehr?
Diskussionsveranstaltung im „Goldenen Löwen“ als Denkanstoß gedacht
Wer in der Gemeinde Wandlitz in den Ortsteilen Lanke, Prenden oder auch Stolzenhagen zu Hause ist, lebt zwar ungestört von jeglicher städtischer Hektik im Grünen, aber einen Haken hat auch diese Idylle. Ohne Auto ist man hier erheblich eingeschränkt. Öffentlicher Nahverkehr mit Bussen findet in erster Linie als Schülerverkehr statt. Ein Arztbesuch am Vormittag in Bernau ist eigentlich nur für denjenigen möglich, der früh morgens mit dem Schulbus hin und mittags nach Schulschluss wieder mit zurück fährt. „Dazwischen, in den Abendstunden, am Wochenende und in den Ferien wird es für alle, die auf den ÖPNV angewiesen sind, schwierig. Denn dann ist das ohnehin dünne Linienbusangebot noch dürftiger“, beschreibt die Wandlitzer Bürgermeisterin Dr. Jana Radant die derzeitige Situation. Am Mittwochabend hatte sie gemeinsam mit Gemeindevertreterin Gabriele Bohnebuck (DIE LINKE) eine Informations- und Diskussionsveranstaltung unter dem Thema „Rufbus als Alternative zum herkömmlichen Linienverkehr?“ initiiert und die Wandlitzer Ortsbeiräte, Gemeindevertreter, Kreistagsabgeordneten, Bürgermeister des Barnims und Landtagsabgeordnete eingeladen.
Neben Schülern sind insbesondere ältere Menschen, die kein Auto mehr fahren können, auf funktionierende Busverbindungen angewiesen. „Wir brauchen für jedes Alter die infrastrukturellen Voraussetzungen, um soziale Kontakte pflegen, zum Einkauf oder zum Arzt gelangen und an kulturellen Veranstaltungen auch in den nächst gelegenen größeren Orten teilnehmen zu können“, so Jana Radant. „Das ist ein Stück Lebensqualität und macht das Leben auch in den Ortsteilen unserer Gemeinde attraktiver, die nicht direkt an der Heidekrautbahn liegen.“ Außerdem sei ein bedarfsgerechtes Busangebot nicht nur für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger wichtig, sondern ebenso für Besucher und Touristen. „Was nützt es, wenn wir im Rahmen unseres Tourismuskonzeptes tolle Wanderangebote und Ausflugsziele entwickeln, wenn diese nur mit dem PKW zu erreichen sind oder eben gar nicht“, so Jana Radant.
Um unwirtschaftliche Fahrten mit großen, kaum besetzten Linienbussen oder teure Leerfahrten zu vermeiden, gibt es mittlerweile in der ganzen Republik sogenannte alternative Bedienformen. Im Umfeld von Eberswalde werden zum Beispiel abgelegene Ortschaften durch sogenannte Rufbusse an die Kreisstadt angebunden. Das heißt, die Busse verkehren auf festgesetzten Linien nur, wenn sie vorher telefonisch vom Fahrgast geordert werden. Wird keine Fahrt bestellt, bleibt der Bus im Depot. Eine weitere Möglichkeit bieten auch die sogenannten Bürgerbus-Vereine. Davon gibt es derzeit mindestens vier in Brandenburg. Mit ehrenamtlichen Fahrern und kleinen Bussen sorgen sie für mehr Mobilität auf dem Land. So gibt es beispielsweise in Zühlsdorf ein gut funktionierendes Bürgerbus-Angebot in Kooperation mit dem DRK.
Patrick Dentzer von der Firma Dispo Tec GmbH aus Bitterfeld präsentierte den Gästen im „Goldenen Löwen“ unterschiedliche mögliche Bedienformen, die als Ersatz oder als Ergänzung zum gängigen Linienbusverkehr möglich sind. Mit seinem Unternehmen hat er erfolgreich u.a. ein Anrufbusangebot in den Kreisen Bitterfeld, Wittenberg und im Saalekreis eingeführt und ist damit nach eigener Aussage das größte Unternehmen deutschlandweit, das alternative Bedienformen anbietet. „Rund 350.000 Fahrgäste nutzen unsere Dienstleistung in diesen drei Landkreisen jährlich. Die Tendenz ist steigend,“ so Patrick Dentzer. Mit einer speziell entwickelten Dispositionssoftware und über ein von 4 – 23 Uhr besetztes Callcenter werden die Fahrgastwünsche verwaltet, Fahrten geplant, Ergebnisse ausgewertet etc. „So können wir eine auf die Bedürfnisse der Bürger zugeschnittene Dienstleistung anbieten und auch weniger besiedelte Gebiete mit öffentlichem Nahverkehr versorgen“, erläuterte Patrick Dentzer sein Konzept. Für den Fahrgast fällt neben dem normalen Bustarif nur noch ein sogenannter Komfortzuschlag an. „Aber die Bürger sind in der Regel froh über das Beförderungsangebot und zahlen den Zuschlag gerne“, so Dentzer.
Der Leiter des Strukturentwicklungs- und Bauordnungsamtes des Landkreises, Dr. Wilhelm Benfer, der ebenfalls als Referent zu Gast in Wandlitz war, warnte vor zu hohen Erwartungen an den Landkreis bei der großzügigen Bereitstellung alternativer Bedienformen im Busbereich. „ÖPNV ist in Brandenburg nicht wirtschaftlich und wird es auch nicht sein“, so Benfer. Auch die Einführung von Rufbussen sieht er zumindest unter wirtschaftlichen Aspekten eher kritisch. Außerdem sei nur der Schülerverkehr eine kommunale Pflichtaufgabe im Land Brandenburg, der sonstige ÖPNV lediglich eine freiwillige Aufgabe. Rufbusverkehre werden, so Benfer, im Barnim bisher nur in Gebieten mit sehr geringer Auslastung des Linienverkehrs eingeführt. „Rufbusverkehre gibt es bei uns zurzeit weder zur Erweiterung des zeitlichen noch des räumlichen Angebotes.“ Da jedoch im Frühjahr 2015 der neue Nahverkehrsplan für den Landkreis vom Kreistag auf den Weg gebracht werde, sei jetzt durchaus ein guter Zeitpunkt über alternative Angebotsformen im ÖPNV zu diskutieren und Anregungen und Projekte über die Kreistagsabgeordneten einzubringen, so Benfer.
Die Wandlitzer Bürgermeisterin Jana Radant ist froh, die Diskussion jetzt angestoßen zu haben. „Ich weiß, dass die Nahverkehrsplanung und der öffentliche Nahverkehr keine Spielwiese für „Wünsch-Dir-was“ sind. Es geht mir um das Nachdenken über wirtschaftliche akzeptable Alternativen zum bisherigen Busangebot in der Fläche. Ob Rufbus, Bürgerbus oder etwas ganz anderes: ich denke, wir sollten ergebnisoffen verschiedene Varianten prüfen. Von attraktiveren Mobilitätsangeboten würden letztendlich nicht nur die Bürger profitieren. Mehr Fahrgäste durch ein verbessertes Angebot könnte auch für die Verkehrsunternehmen wirtschaftlich durchaus interessant sein.“
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an: Gemeinde Wandlitz, Pressestelle, Elisabeth Schulte-Kuhnt
Tel.: 033397 – 66 135, Fax: 033397 – 66 116, eMail
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